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Was ist SOWI-Therapie?

 

Angela Gröschl-Eigenstetter und Sonja Wierk
Angela Gröschl-Eigenstetter und Sonja Wierk
(März 2005 in Bremerhaven)

 

Die SOWI-Therapie ist entwickelt aus dem Erfahrungswissen von Sonja Wierk, die als MS-Betroffene, nach Jahren der Lähmung (bis hin zur Bettlägerigkeit), einen Weg zurück zu gesunder Beweglichkeit gefunden hat. Dies gelang ihr durch positive Hinwendung zum Leben, liebevolles Erspüren des erkrankten Körpers, Entspannung der verhärteten Muskulatur, mentale Übungen, Bewegungsvorstellungen und selbst bestimmtes Anleiten von Bewegungen. Bewegung fand in ihrem gelähmten Körper zunächst nur im Kopf, also in ihrer Vorstellung statt. Ihre Nervenbahnen wurden auf diese Weise neu gebildet, gestärkt oder repariert.
Ihr Motto: "Gedankenkraft gibt Nervenkraft, Nervenkraft gibt Muskelkraft!"

Die moderne Gehirnforschung bestätigt mit ihrem Wissen um die Neuroplastizität des Gehirns längst, dass theoretisch Sonjas Weg funktionieren kann. Ihr Verfahren wurde jedoch noch keiner wissenschaftlichen Studie unterzogen und kann daher auch nicht als "anerkannt" im medizinischen Sinne gelten. Seit aber Wissenschaftler erkannt haben, dass das Gehirn (entgegen früherer Annahme) in der Lage ist, lebenslang neue neuronale Verschaltungen zu knüpfen, ist es unbestritten, dass "verloren" gegangene Bewegungen neue "erlernt" werden können. Wie genau nun dieses Bewegungslernen bei einem MS-Erkrankten (auch bei völliger Lähmung) von statten gehen kann, hat Sonja Wierk zunächst alleine für sich selbst gesucht und Schritt für Schritt gefunden. Erst später hat sie ihre Erkenntnisse und Erlebnisse, wie man wieder Bewegung in den gelähmten Körper bringen kann, an andere Betroffene weiter- gegeben können. Dieser Vorgehensweise hat sie den Namen SOWI-Therapie gegeben.

Der Weg führt über die Vorstellung zur Bewegung, bei gleichzeitig liebevoller Selbstakzeptanz. Alleine die Vorstellung eines Bewegungsablaufs trainiert schon das Gehirn d.h. mit der vorgestellten Bewegung werden bereits neuronale Aktivitäten ausgelöst. Unermüdliches Üben und "tausendfache Wiederholung" führen schließlich – wie in vielen anderen Lebensbereichen – auch hier zum Erfolg. Jedoch – nur wenige MS-Betroffene sind spontan bereit, sich mit solch liebevoller Hingabe mit ihrem kranken Körper zu beschäftigen und voll Hoffnung und Lebensmut in die Zukunft zu blicken. Auch hier gibt Sonja Wierk einfühlsam aber bestimmt Ihre Lebenserkenntnisse an interessierte Betroffene weiter. So spricht sie viel von diesem liebevollen Ansprechen des Körpers, von der Notwendigkeit ihn suchen und finden zu wollen und Fremdbestimmung und Überforderung entschieden von sich zu weisen.
Ihr Motto hier: "Deine Selbstbestimmung ist deine Kraft!".

Entgegen früheren Empfehlungen, wird heute die sportliche Betätigung bei MS-Betroffenen sehr empfohlen Es gilt als erwiesen, dass durch beständiges Bewegen die Funktionen des Körpers (länger) erhalten bleiben. Sonja leitet jedoch auch Menschen mit neuronalen Bewegungsbeeinträchtigungen zu neuer Beweglichkeit an, deren Lähmungen sehr weit fortgeschritten sind. Sie selbst war nach Jahren im Rollstuhl lange Zeit völlig bettlägerig. Erst dann begann sie, ermutigt durch neue Hoffnung auf Leben, mit Körper, Geist und Seele zu Arbeiten. Selbstbestimmung, Eigenverantwortung, liebevolles Annehmen der eigenen Person, Durchhaltevermögen, Achtsamkeit, Geduld, Einlassen auf mentales Training sind nur einige der unerlässlichen Forderungen, wenn man sich mit diesem Verfahren befassen will.

Sonja Wierk war nach eigenen Angaben in keiner Phase dieses Weges angeleitet von fachlichen, therapeutischen oder sonstigen Vorgaben, Erklärungen und Korrekturen anderer Personen.

Manche behaupten, die SOWI-Therapie "beruhe" auf der Feldenkraismethode, da Sonja Wierk ihre erste Anregung zum ‚Erspüren des Körpers’ in einem Feldenkrais-Seminar erhalten hat. Ich bin dagegen der festen Überzeugung, dass diese Erklärung der Lebensleistung von Sonja Wierk nicht gerecht wird. Es war ein autodidaktischer Weg, den sie voll Zuversicht und neuem Lebensmut beschritt. Gleichwohl betont Sonja stets dankbar, dass ein Feldenkraisseminar ihr die erste Anregung und Ermunterung gab, sich aus ihrer ‚Enge’ und ‚Abwendung vom Leben’ zu befreien. Von allen therapeutischen Verfahren hat die Lehre von Moshé Feldenkrais wohl die größte Nähe zur SOWI-Therapie.

Sonja Wierk beschreibt in ihrer SOWI-Therapie also einen Weg, der sie im Verlaufe mehrerer Jahre von der Lähmung zu gesunder Bewegung führte. Grundlage war die neu entstandene "Hoffnung auf Leben" und das sichere Wissen, dass ich mich wieder werde bewegen können". Dieser Prozess ist nicht annähernd mit einer Abfolge "gymnastischer Übungen" zu verwechseln. Vielmehr geht es um das Suchen und "Erspüren" des richtigen Weges, sowohl im körperlichen, als auch im psychischen Sinne.

Meine langjährige Erfahrung als Lehrerin für SOWI-Therapie zeigt mir, dass viele Betroffene fälschlicherweise immer wieder darauf hoffen, ein Rezept, eine Übungsabfolge, eine logische Anleitung zu erhalten, die, einmal gelernt, "abgearbeitet" werden kann. Dem ist jedoch nicht so. Ein Seminar alleine reicht oft nicht aus, die SOWI-Therapie in ihrer ganzen Breite und Tiefe zu verstehen.

Die Hinwendung zum Körper wird von Sonja immer wieder betont. Hieraus darf jedoch nicht abgeleitet werden, dass die psychische, geistige und imaginative Ebene des Verfahrens nur zweitrangig sei. Die Vernachlässigung der seelischen, geistigen, lebensphilosophischen und imaginativer, vielleicht sogar hypnotischer Aspekte der SOWI-Therapie führt fast zwangsläufig zu Misserfolgen und Enttäuschungen. Insofern muss die SOWI-Therapie als ganzheitliches Konzept verstanden, gelehrt und angewendet werden.

Diese Ganzheitlichkeit zu vermitteln bedarf einer langen intensiven Beschäftigung mit dem Verfahren, großer Erfahrung mit MS und hoher Empathie in die körperlichen und psychischen Prozesse. Es gibt keine pauschalen Lösungen – nur individuelles Betrachten. So können beispielsweise körperlichen Übungen nicht erfolgreich angewendet werden, ohne für sich die Frage zu klären, welche Haltung ich mir selbst, meinem Körper und meinen Mitmenschen gegenüber einnehme. Umgekehrt können geistige, spirituelle Erkenntnisse und psychische Arbeit alleine den Körper nicht in Bewegung bringen, solange derselbe ignoriert oder gar abgelehnt wird. Dies ist eine der grundlegenden Botschaften der SOWI-Therapie: "Körper, Geist und Seele gehören zusammen." Insofern ist die SOWI-Lehre neben der Arbeit mit dem Körper auf breiter Ebene auch psychische bzw. psychotherapeutische Arbeit.
Sonjas Motto lautet hier: "Mein Weg führt über den Körper!"

Sie meint damit: "Der Körper zeigt mir was er braucht, und damit zeigt er auch, was ich selbst brauche bzw. was meine Psyche braucht!"

Insofern weiß ich um die Herausforderung der umfassenden Vermittlung dieses Verfahrens und finde es notwendig, auch im psychotherapeutischen Bereich geschult zu sein. Zweifel, Ängste, Enttäuschungen, überzogene Erwartungshaltungen, Ungeduld, Leistungsdruck müssen erkannt, aufgefangen und auf Wunsch zumindest im Ansatz bearbeiten werden können.

Meine Ausbildungen als Sozialpädagogin, in der Familientherapie, die Zulassung als Heilpraktikerin für Psychotherapie und nicht zuletzt die 18 Jahre Begleitung schwer von MS betroffener Menschen im Pflegeheim, kommen mir zu Hilfe. Die Fortbildung in klinischer Hypnose hat mich verstehen lassen, was Sonja Wierk meint, wenn sie sagt: "Stell dir vor es zu tun" oder "Tue so, als würdest du es schon tun!" Spannend ist, wie sehr das mentale Stärken im Sport, Wirtschaft, Politik und Kunst im interdisziplinären Austausch sowohl psychotherapeutisches, hypnotherapeutisches Know-how als auch das Wissen der Fachleute im Rehabilitationsbereich unterstützen kann. Das vergleichende Lernen aus diesen verwandten Bereichen lässt mich zunehmend die SOWI-Therapie ergänzen mit imaginativen Verfahren und mentalem Training (siehe neu Seminare ab 2011: Mentales Stärken bei MS)

Nicht zuletzt gab und gibt mir Sonjas Ermunterung, SOWI-Seminare eigenständig anzubieten den Mut, ihre große Lebensleistung auf professionelle, systematische, verständliche und nachvollziehbare Weise vermitteln zu dürfen.