SOWI-Therapie mit Angela Gröschl-Eigenstetter

Aus meiner Arbeit mit schwerst von Multipler Sklerose betroffenen Menschen weiß ich, dass viele Fachkräfte davon ausgehen, dass diese Menschen "austherapiert" seien. Außerdem finden diese Pflegeheimbewohner so gut wie keine Beachtung in der allgemeinen Diskussion um MS und meines Erachtens darüber hinaus auch viel zu wenig Beachtung in Fachkreisen. Daher freue ich mich, dass ich "meine" MS-Gruppe im Pflegeheim bei der Erstellung eines Berichts über ihr Leben im Pflegeheim begleiten durfte und dort auch Erläuterungen zur SOWI-Therapie anfügen durfte zu dem Thema:

Was ist SOWI-Therapie? oder "Von wegen austherapiert!"

Dieser trotzig empörte Ausruf liegt mir nun schon seit Jahren auf der Zunge. Spätestens, seit ich die SOWI-Therapie kennengelernt habe, die mich lehrte, dass man auch bei einer als unheilbar geltenden Erkrankung wie der Mulitplen Sklerose immer noch etwas für sich selbst tun kann. Spätestens, seit ich erfahren habe, dass gerade diese meist schwer von MS betroffenen Menschen gerade weges des hohen Pflegeaufwands in einer Spezialklinik für MS-Kranke dort kaum mehr ausreichend pflegerisch versorgt werden können. Spätestens, seit ich die Haltung der Krankenkassen kenne, die fast ausnahmslos unterstellen, dass es sich ohnehin nicht mehr lohne, in diese Menschen zu investieren.

Die SOWI-Therapie wurde entwickelt von und aus dem gelebten Erfahrungsschatz von Sonja Wierk, der es gelang, mit enormer Ausdauer und wider alle Erwartungen Beweglichkeit in ihren von der MS gelähmten Körper zurück zu bringen. Sonja Wierk ist inzwischen über 80 Jahre alt und immer noch beweglich. Vor Jahren hat sie auch einen Schlaganfall mit ihrem Verfahren überwunden.

Sie lehrte mich die Grundprinzipien und Anwendbarkeit des Verfahrens und ermunterte mich, es an kranke Menschen, vor allem MS-Betroffene, weiter zu geben.
Seither bemühe ich mich, ein "Theoriekonzept der SOWI-Therapie" zu entwickeln und es anerkannten Verfahren zuzuordnen. Die Nähe zu mehreren Therapieformen ist unverkennbar. Jedoch ist und bleibt Sonjas Verfahren einzigartig. Vor allem ist es passgenau auf die Bedürfnisse von Menschen mit neurologischen Bewegungsbeeinträchtigungen zugeschnitten - auch und nicht zuletzt für Schwer- und Schwerstbetroffene. Sonjas SOWI-Therapie ist zunächst eine reine Erfahrungsheilkunde, die sich an Menschen mit neurologischen Erkrankungen des Bewegungsapparates richtet. Die Therapieform spricht vor allem Menschen an, die es für möglich erachten, dass Selbstheilungskräfte des Körpers aktiviert werden können, und / oder die sich mit neueren Erkenntnissen der Hirnforschung beschäftigen und von daher um die Neuroplastizität und Regenerationsfähigkeit unseres Nervensystems wissen.

Das Verfahren erinnert teils an die Feldenkrais-Methode und auch an die Achtsamkeitsphilosophie. In der Grundhaltung erkennt man deutliche Parallelen zu Aaron Antonovskys Salutogenese-Konzept. Wie Sonja Wierk fragt auch er nicht: "Was macht Menschen krank?" oder "Was geht nicht?", sondern "Was macht mich gesund?" oder "Welche Ressourcen habe ich?". Sonja Wierk ist jedoch weniger an Theoriediskussionen interessiert. Ihr Herangehen ist sehr pragmatisch und lösungsorientiert. So fragt sie: "Was tut meinem Körper und meiner Seele gut?" und "erspürt", wie die Regeneration derselben durch selbstbewusstes und selbstbestimmtes Tun gefördert werden kann; denn: "Helfer meinen es zwar gut, aber fast alle überfordern uns!". Umso bedeutender der Leitsatz: "Deine Selbstbestimmung ist deine Kraft!"

Ihr Verfahren nennt sie selbst eine "Lebens- und Bewegungslehre". Es beruht unter anderem auf dem Erleben und der Erkenntnis, dass über das freundschaftliche Erspüren und Ansprechen des Körpers, das sog. Benennen und Ordnen desselben, über das Vordenken von Bewegungen und über selbstbestimmte Bewegungsanleitungen der "verlorene" Körper zunächst wieder gefunden und schließlich Bewegungen neu angeleitet werden können. Dieses mit großer Aufmerksamkeit durchgeführte körperliche und mentale Tun wird begleitet von dem Bemühen um Gelassenheit und liebevoller Hinwendung zu sich selbst - einer Entspannung also von Körper, Geist und Seele bei gleichzeitig entschlossenem "etwas für sich tun".

Neurologisch betrachtet könnte man von einer Neuprogrammierung von Bewegungsabläufen sprechen, die auf der Fähigkeit unseres Gehirns beruht, neuronale Verschaltungsmuster zu knüpfen (Neuroplastizität) und damit neues Bewegungslernen theoretisch zu ermöglichen. Sonja unterstellt, dass diese Neuaktivierung grundsätzlich jedem Betroffenen möglich ist, dem es gelingt, mit Achtsamkeit, also ohne Leistungsdruck und ohne Willensanstrengung, die Hinwendung zu sich selbst zu finden und mit "entschlossener Gelassenheit" die Stabilisierung und Wiedererlangung von Beweglichkeit gedanklich anzuleiten.

Ich gehe davon aus, dass uns unsere "inneren Bilder" stärker beeinflussen als unser bewusster Wille. Daher bemühe ich mich darum, das in der SOWI-Therapie geforderte "Vordenken von Bewegungen" durch Visualisierungen und Imaginationen aus der Hypnosetherapie und dem Mentaltraining aus dem Leistungssport zu vertiefen.

Das SOWI-Verfahren ist komplex. Es bedarf zunächst einer Anleitung bei hoher Eigenmotivation, eines langen Atems und der inneren Überzeugung, selbst etwas für sich tun zu können und zu wollen. Die SOWI-Therapie ist somit keine Behandlung, der SOWI-Lehrer jedoch ein Anleiter zum selbstbestimmten Tun.

Pflegeheim! Na und! Zusammenfassung des Berichts Pflegeheim! Na und!
Angela Gröschl-Eigenstetter Rübezahlweg 5a D - 83052 Bruckmühl Tel. +49 (0) 80 62 - 36 18 groeschl@sowi-rosenheim.de